„Ich träume nicht, ich wage meinen Traum“

sagte der deutsche Philosoph Manfred Hinrich

Einen Traum gewagt haben auch Antje Helbig und ihr Mann Joachim Legner. Sie setzten ihre Idee eines zeitgenössischen Museums in Weilburg, einer Stadt mit 13.000 Einwohnern, im Herzen von Hessen, um.

Mit dem Rosenhang Museum ist Weilburg um eine Attraktion reicher geworden. Das Besondere dabei ist, dass die ehemalige Brauerei August Helbig dafür umgebaut wurde. In diesem unvergleichlichen und außergewöhnlichen Ambiente ist ein Museum und Kulturzentrum entstanden, das seinesgleichen sucht.

Die umgestalteten ehemaligen Produktionsräume der Brauerei strahlen noch immer einen morbiden Charme aus, gepaart mit modernen Elementen.

Ein Museum wird geboren

Antje Helbig, Joachim Legner, Gerd Nink und Michael Schultz im Gespräch mit Sabine Gorenflo

Joachim Legner
Seit wann hatten Sie den Traum ein Museum zu gründen – was ist Ihre Motivation?

Wenn man einmal vom Fieber des Kunstsammelns erfasst wird, dann gibt es kein Halten mehr. Die Begehrlichkeit kennt keine Grenzen. Recht schnell waren die Wände bei uns zu Hause voll, und wir begannen damit, die Bilder zu stapeln. Aus dieser Zwangssituation entstand die Idee eines Museums. Gut möglich, dass die Sammelwut das Bauprojekt unbewusst mitgefördert hat.

Michael Schultz
(Galerist, Kurator und Mitinitiator des Museums Rosenhang und Vorsitzender des Nassauischen Museumsvereins zu Weilburg)
Wie und wo lernten Sie die Museumsgründer kennen?

Herr Legner stand eines Tages bei uns in der Galerie und hat mit seinem Enthusiasmus die gesamte Belegschaft infiziert. Er wollte alles sehen, stellte viele und gute Fragen zur Kunst und den Künstlern und hat mit seiner Sichtweise und Kommentaren auch uns auf Nuancen und Details hingewiesen und somit unsere eigene Sichtweise erweitert. Das hat mich außerordentlich beeindruckt.

Architekt Gerd Nink
Wie kamen Sie an den Auftrag, eine ehemalige Brauerei in ein Museum umzubauen?

Ende August 2016 riefen mich die Bauherren Antje Helbig und Joachim Legner an und wir vereinbarten einen Termin für den nächsten Tag. Die beiden Kunstliebhaber erzählten mir von der Idee, die Brauerei in ein Museum umzubauen. Nach diesem Gespräch begannen wir direkt mit den Planungen. Damit wir einen Überblick bekamen, erstellten wir erst einmal Bestandspläne, welche dann später in die fertigen Pläne einflossen. Man plant die neue Nutzung zuerst im Kopf, dann auf dem Papier, und nach Monaten sieht man, was entstanden ist. Dies ist ein tolles Gefühl.

Antje Helbig
Wie groß ist das Gelände und welcher Teil wurde zum Museum umgebaut?

Das Areal des Brauereigeländes ist zigtausend Quadratmeter groß. Das Museum wird vorerst auf einer Fläche von 2.000 Quadratmetern in der ehemaligen Brauerei entstehen.

Gerd Nink
Was war die größte Herausforderung beim Umbau?

Neben der statischen Herausforderung, wie das Unterfangen und die Vergrößerung der Fundamente, Einziehen der neuen Decken, Einbau der neuen Treppenanlage mit Aufzugschacht, bestand der außergewöhnlich große Reiz darin, das Gebäude in ein Museum umzubauen. Alt und Neu harmonisch zu verbinden und den Charakter des alten Brauereigebäudes zu bewahren und in die neue Funktion zu übertragen, waren die Grundgedanken seit dem ersten Tag. Es ist unheimlich wichtig, diese alte Geschichte der Brauerei zu erhalten, da es sich um einen ehemaligen großen Arbeitgeber für die Stadt Weilburg handelte und viele Personen nach wie vor eng mit der Brauerei verbunden sind. Durch die frühe Einbindung des Galeristen konnten wir uns auch optimal abstimmen. Der Austausch mit den Bauherren und den Handwerkern war täglich erforderlich, da es bei einem solchen Projekt immer wieder neue Probleme gab.

Antje Helbig
Wie war die Nutzung vor der Baumaßnahme?

Das Gebäude wurde größtenteils nur als Abstellfläche und als Vertriebslager genutzt. Die jetzigen Räume des ersten Bauabschnitts für das Museum Rosenhang sind seit Jahren ungenutzt beziehungsweise waren mit alten Akten, Brauereigegenständen, Theken und Abbruchmaterial belagert. 2014 wurde bereits das alte Sudhaus zurückgebaut, das jetzt als Garagen für die Brauerei genutzt wird. 2016 erhielten wir die Abbruchgenehmigung für den kompletten Gebäudetrakt der Brauerei und 2017 wird das Gebäude einer neuen Nutzung zugeführt.

Gerd Nink
Was wurde alles erneuert?

Das Gebäude erhielt eine komplett neue Museumstechnik, Heizung, Klima, Lüftung, Toilettenanlage, Elektroinstallationen, Fenster, Türen, Außenputz bis hin zum Verlegen des Hauptwasseranschlusses und der Entwässerung. Bei der Nutzungsänderung war der Brandschutz ein wichtiges Thema. Bauherren und Planer haben das Schutzziel des öffentlichen Baurechts einzuhalten. Im Museum sind die Brandlasten hauptsächlich durch die Ausstellungsgegenstände wie Bilder und Exponate gegeben.

Joachim Legner
Sie sind schon lange ein großer Kunstsammler. Welche Kunst sammeln Sie?

Vorwiegend zeitgenössische Kunst. Malerei, Skulptur und Artverwandtes. Schwerpunkt unserer Sammlung sind Künstler, die in Deutschland leben und arbeiten. So finden sich in der Sammlung Künstler wie Christopher Lehmpfuhl, Cornelia Schleime, Elvira Bach und SEO, aber auch Gerhard Richter, Markus Lüpertz, Stephan Balkenhol und viele andere.

Michael Schultz
Was sind Ihre Aufgaben im Museum?

Wenn sie so wollen, habe ich die Aufgabe des Gründungsdirektors übernommen. Meine Zusammenarbeit hört damit jedoch nicht auf. Auch in Zukunft werde ich den Initiatoren mit Rat und Tat zur Seite stehen und gemeinsam mit ihnen die angestrebte programmatische Vielfalt entwickeln und ausbauen. Wir haben uns ganz viel vorgenommen; tagtäglich fließen neue Ideen und Impulse in das Museumsprojekt, da steckt so viel Energie und Potenzial drin, dass ich von dem Weilburger Großvorhaben ohnehin nicht loskomme.

Joachim Legner
Werden Sie ihre eigenen Kunstschätze ebenfalls der Öffentlichkeit zugänglich machen und streben Sie auch Kooperationen mit örtlichen Künstlern an?

Natürlich werden wir unsere Kunstschätze der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Da gibt es nichts Privates mehr – deshalb haben wir ja das Museum eröffnet. Es gehört zu unserem Auftrag, uns auch mit den Werken regionaler Künstler auseinanderzusetzen; das schließt mit ein, dass diese dann durchaus auch im Museum landen können.

Antje Helbig
Hat Ihr Mann Sie mit seiner Sammelleidenschaft angesteckt oder haben Sie sich schon immer für Kunst interessiert?

Natürlich hat er mich angesteckt, inzwischen bin ich von Kunst genauso elektrisiert wie mein Mann. Die Leidenschaft für Kunst kommt oft später im Leben, wenn man sich mehr Freiräume geschaffen hat, wobei ich mich immer schon für Kunst interessiert habe.

Joachim Legner
Mit diesem Projekt haben Sie ein Leuchtturmprojekt geschaffen, das weit über die Region hinaus strahlt. Welche Chancen entstehen dadurch für Weilburg?

Es ist in der Tat ein einzigartiges Projekt in Deutschland, und ich denke, dass auch Weilburg über kurz oder lang davon profitieren wird. Es ist der Grundstein für die Weiterentwicklung der Stadt. Aber das können wir nicht alleine stemmen, wir brauchen jetzt und in Zukunft Unterstützer. Denn wir möchten nicht nur Kunst zeigen, sondern auch Musikveranstaltungen, Lesungen, Kleinkunst und vieles mehr im Rosenhang Museum anbieten. Wenn dieses Potenzial von allen Akteuren genutzt
wird, dann wird das dazu führen, dass hier ein Zentrum für Kunst entsteht, das einen Kontrapunkt zur barocken Geschichte der Stadt setzt. Dabei ist es schon etwas Besonderes, dass ein solches Projekt aus einer Privatinitiative realisiert wurde.

Michael Schultz
Ein Museum in einer Kleinstadt – kann das gut gehen?

Gerade dort, in der sogenannten Diaspora, müssen Museen entstehen. In unserer immer schnelllebigeren Zeit muss die Kunst zum Genießer kommen und nicht umgekehrt. Ich bin mir sehr sicher, dass das Rosenhang Museum innerhalb kürzester Zeit mit passablen Besucherzahlen aufwarten kann.

Joachim Legner
Woher kommt Ihre Liebe zur Kunst?

Das ist ein Prozess über viele Jahre. Erst war es ein zaghaftes Antasten und dann hat mich das Fieber erwischt. Gut, dass dabei auch meine Familie mitgerissen wurde. Ohne sie wäre das sonst nicht zu schaffen gewesen.

Michael Schultz
Welches künstlerische Konzept verfolgten Sie ?

Grundlage allen Tuns ist der Bestand der Sammlung. Aus ihr heraus entstehen Ideen für Sonderausstellungen, sie dient als Grundlage für den Diskurs, aber auch als Inspiration für das museale Beiprogramm. Dazu gehören Literaturabende, Musikveranstaltungen, Theateraufführungen und vieles mehr.

Joachim Legner
Warum zeigen Sie zeitgenössische Kunst und
nicht etwa die Alten Meister?

Die Sammlung ist auf Strömungen und Tendenzen aktueller Kunst ausgerichtet und dabei wollen wir es – vorerst – belassen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass wir auch die Kunst der vergangenen Jahrhunderte in Weilburg zeigen, allerdings dann nur im Rahmen von Sonderausstellungen.

Michael Schultz
Wie haben Sie es geschafft, national und
international anerkannte Künstler quasi in die Provinz zu locken?

Mit der Euphorie des Sammlerehepaars war das völlig unproblematisch, zudem ist es ja nun auch nicht so, dass die Künstler Angst vor der Provinz haben. Eher umgekehrt, doch genau das ist auch unser Auftrag, mit der Offenheit und Vielfalt des Rosenhang-Projekts den schrankenlosen Zugang zur Kunst zu verschaffen.

Joachim Legner
Welche Zielgruppe möchten Sie ansprechen?

Natürlich alle Kunstfreunde, nicht nur aus unserer Region, sondern auch bundesweit. Eine deutliche, niedrige Hemmschwelle soll dafür sorgen, dass jedermann – so auch Besucher, die mit der bildenden Kunst bisher noch nicht in Berührung gekommen sind – den Schritt in unser Museum wagt.

Michael Schultz
Werden die Künstler hier nur ausstellen oder werden sie im Museum auch arbeiten?

Geplant ist – und das ist ein Herzenswunsch der Initiatoren –, dass Stipendien an junge Künstler vergeben werden, die dann über einige Monate in Weilburg arbeiten und ihre Ergebnisse anschließend im Museum zeigen können.

Joachim Legner
Was ist das Motto des Museums?

Ganz einfach: „Kunst für alle“.

Michael Schultz
Kaum jemand kennt den Kunstmarkt
so gut wie Sie. Wo sehen Sie Entwicklungen, was ist aktuell in?

Der Kunstmarkt ist im Fluss und boomt wie nie zuvor. Noch nie war es für junge, aufstrebende Künstler so einfach wie heutzutage, sich auf dem Markt zu etablieren. Das Geschäft mit der Kunst erreicht ständig neue Höhen. In monatlichem Rhythmus werden auf Auktionen Weltrekorde bei Werken lebender Künstler erreicht; das stimuliert und befeuert auch die Begehrlichkeiten bei ganz junger Kunst. Und dass diese dann im Museum landen kann, dafür ist das Weilburger Rosenhang Museum das beste Beispiel.

Joachim Legner
Gibt es ständige oder wechselnde Ausstellungen?

Wir werden in erster Linie wechselnde Ausstellungen aus unserem Bestand zusammenstellen. Darüber hinaus planen wir in Sonderausstellungen Kunst und Künstler vorzustellen, die zu sammeln die Grenzen unserer Möglichkeiten überschreiten.

Joachim Legner
Welche langfristigen Planungen gibt es und welche Projekte schweben Ihnen vor?

Zunächst stellen wir in einer Sonderausstellung die Positionen von Gerhard Richter und Stephan Balkenhol vor. Geplant sind kleine Werkschauen von Günther Uecker, Markus Lüpertz, aber auch von dem amerikanischen Weltstar Andy Warhol.

Joachim Legner
Woher stammen die Künstler, die in Ihrem Museum ausstellen?

Fast ausschließlich aus Deutschland. Zumindest arbeiten sie hier. Mir ist es wichtig, die Künstler auch persönlich kennenzulernen, und aus diesem Wunsch heraus bin ich vielen begegnet. Dadurch hat sich unser Sammelbestand erweitert. Diese Begegnungen möchte ich nicht missen; wir werden sie in Weilburg pflegen und kultivieren.

Antje Helbig
Ihre Vorfahren wären bestimmt stolz auf Sie, wenn sie wüssten, dass aus dem ehemaligen Industriegebäude ein zeitgenössisches Zentrum für Kunst, Kultur und Bildung geworden ist.

Auf jeden Fall. Sie wären stolz darauf, zu sehen, dass das Gebäude der Brauerei noch immer steht und dass Bestandteile des Baukomplexes auch in das Museum eingeflossen sind.