Alle Zeit der Welt
Jochen Pröhl
Vernissage 24.07.2022, 15 h
Dauer der Ausstellung 21.07.- 15.08.2022
Jochen Proehl verbrachte seine Kindheit und Jugend in Istanbul. Er studierte von 1982 bis 1988 studierte an der UdK Berlin Malerei bei Klaus Fußmann. Zwischen 1996 und 2001 hatte er Lehraufträge und eine Professur-Vertretung an der Muthesius-Kunsthochschule, sowie an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Ab 2003 setzte er seine künstlerische Lehrtätigkeit in der Türkei fort. Er lehrte an der Marmara-Universität, der Technischen Yıldız-Universität, der Okan-Universität und der Işık-Universität, sowie in Izmir an der Ege-Universität. Von 2013 bis 2016 war er Gründungskurator der BAUART-Galerie und Direktor der Kunstbrücke Istanbul-Berlin an der Bahçesehir-Universität Istanbul. Seit 2017 ist er deren Künstlerischer Direktor. Seit 2013 lehrt er an der Fakultät für Kommunikation derselben Universität.
Die zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit pendelnden Werke von Jochen Proehl lassen sich in drei Gruppen gliedern. Zunächst sind da die Landschaften, bei denen er sich auf Spuren menschlichen Eingriffs in das Erdreich bezieht. Das können Baggerspuren sein, Erdmassen auf Abraumhalden oder nur der Abdruck einer Schaufel im Sand. Dabei geht es vor allem auch um die kulturgeschichtlichen Konnotationen dieses Themenkomplexes. Dann stilllebenhafte Arbeiten der „In-Situ“-Serie, deren Ausgangspunkt Fundsituationen bei archäologischen Ausgrabungen sind. Schließlich kommen die „Urbanen Anatomien“ dazu. Bei Letzteren macht Jochen Proehl urbane und architektonische Strukturen zur Grundlage seiner Bildfindungen. Den Arbeiten liegen zwar Beobachtungen an konkreten Landschaften, Formen und Objekten zu Grunde, doch verzichtet er auf alle Realitätshinweise, wie Mensch, Vegetation oder topografische Details. Vielmehr bedeutet Bildlichkeit für ihn in vor allem die Organisation von Pinselduktus und Schraffur auf der Oberfläche. So entstehen vom Blick unabhängige, allgemeingültige Räume und Konstellationen, die die unveränderliche Anatomie des Ausgangs-Motivs widerspiegeln. Parallel zu Malerei und Zeichnung arbeitet Jochen Proehl mit einer Camera Obscura. Hier verwendet er zum Teil Landschaftsmodelle aus Sand und Erde, die er zuvor selbst anfertigt. Auch bei diesen Arbeiten geht es ihm um eine Anonymisierung und Verallgemeinerung von Landschaft.
Jochen Pröhl: „Meine Malerei vergleiche ich gerne mit Langzeitbelichtungen:
In einer fotografischen Langzeitbelichtung wird jeder Gegenstand, der sich nicht für die Dauer der Belichtungszeit, sondern nur kurz im Bildausschnitt befindet, später auf dem Foto nicht zu sehen sein.
Was man sieht, ist die grundsätzliche Struktur. Das Augenblickliche und Vorübergehende wird unsichtbar.
Das heißt wenn ich eine Landschaft male, interessiert mich nicht die temporäre Erscheinung, ein Baum, eine Pflanze, ein Wald, denn sie sind, wenn auch für sehr lange Zeit, nur vorübergehende Erscheinungen. Mich interessiert die unveränderliche Struktur darunter – die terrestrische Anatomie einer Landschaft oder die urbane Anatomie einer Stadtansicht. (Die „Aegean Memories“ innerhalb meiner letzten Einzelausstellung im vergangenen Oktober in der C.A.M. Gallery in Istanbul bilden eine Ausnahme.)
Ich mache also Bilder, die wie eine ‘Langzeitbelichtung aller Zeit der Welt‘ sind – oder wenigstens vieler Jahrzehnte oder Jahrhunderte, wenn es sich um urbane Strukturen handelt.“